Ungesunde Problembewältigung: Abwehrmechanismen der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Menschen, die unter der Borderline-Persönlichkeitsstörung, kurz BPS genannt, leiden, müssen in ihrem Leben eine ganze Bandbreite an unangenehmen Symptomen ertragen. Diese Symptome sind für Außenstehende oft als widersprüchliches Verhalten mit plötzlichen und extremen Stimmungsschwankungen wahrnehmbar, weshalb Menschen mit BPS nicht selten missverstanden werden. Doch nicht nur die Symptome dieser Persönlichkeitsstörung haben diesen Effekt, sondern auch die Abwehrmechanismen.
Jeder Mensch verfügt über bestimmte Abwehrmechanismen. Mit ihnen wird versucht, mit Situationen, die einem wehtun, peinlich sind oder sonst wie unerträglich erscheinen, umzugehen, z.B. indem sie vom Bewusstsein ferngehalten werden. Wären wir uns ständig unserer inneren Konflikte und triebhaften Motive voll bewusst, würde dies unsere Handlungsfähigkeit enorm einschränken. Ab-wehr ist also im Grunde ein lebensnotwendiger, aber auch kreativer Prozess, und kann eine Art Heilungseffekt haben. Wenn ein Abwehrmechanismus allerdings starr ist und immer wieder angewandt und dadurch die geistige Beweglichkeit eingeschränkt wird und eine Person in ihrem Leid verharrt, wird diese Abwehr symptomfixiert und ist Ausdruck einer psychischen Störung. „Borderliner“ etwa haben nicht richtig gelernt, unangenehme Situationen oder Gefühle auf gesunde und vernünftige Weise zu bewältigen. Zu welchen Abwehrmechanismen dies führen kann und weshalb diese in vielen Fällen eher negativ auffallen, soll nun genauer beschrieben werden.
Häufige Abwehrmechanismen
Einer der häufigsten Abwehrmechanismen, welcher den meisten Menschen bekannt ist, ist die Verdrängung. Dabei werden konflikthafte Affekte, Kognitionen oder einfach nur tabuisierte und bedrohliche Vorstellungen, also etwas ursprünglich Bewusstes, aktiv in das Unbewusste verschoben, sozusagen aktiv aus der Wahrnehmung ausgeblendet und vom Bewusstsein ferngehalten. Jedoch ist Ver-drängtes nicht wirklich vergessen. Bei der Verdrängung bleiben die Probleme und Konflikte ungelöst und schwellen unkontrollierbar weiter an. Meistens wird die Verdrängung herangezogen, wenn es zu einem Konflikt zwischen unseren Triebwünschen und den Regeln, die uns die Gesellschaft oder wir selbst uns auferlegt haben, kommt. Die aktive Unterdrückung von Gefühlen, Trieben oder Gedanken kostet jedoch viel Energie. In manchen Fällen kann die erforderte Anstrengung so groß werden, dass man sich aus seinem gewohnten Lebensumfeld lösen muss. Damit trägt dieser Abwehrmechanismus zur Flucht vor den eigenen Problemen und der Abspaltung von seiner Umwelt bei.
Ein ähnlicher Abwehrmechanismus, der jedoch anders als die Verdrängung bewusst stattfindet, ist die Verleugnung. Auch hier kommt es zu einer Verschiebung unangenehmer Inhalte in das Unbewusst. Allerdings ist dies nur kurzfristig möglich. Bei der Verleugnung werden die Wahrnehmung realer Sinneseindrücke und deren Bedeutung für das Individuum ignoriert, und zwar bewusst. Das bedeutet, der Betroffene sieht zwar klare Indizien eines inneren Konflikts, wehrt sich jedoch hartnäckig dagegen und will diese nicht wahrhaben. Verleugnung ist eine spontan einsetzbare Schutzreaktion, mit der Borderliner einer unangenehmen Wahrheit die Aufmerksamkeit entziehen und breitere Realitätsausschnitte ausblenden können. Ein Beispiel hierfür wäre, körperliche Symptome, von denen man weiß, dass sie auf Mangelernährung zurückgeführt werden können, auf einen anderen, für sich logischen Grund zu schieben. Mittels dieses Abwehrmechanismus wird also eine eigene Realität geschaffen.
Stark mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung verbunden ist außerdem der Abwehrmechanismus der Reaktionsbildung. Dabei werden nicht akzeptierte Impulse mit entgegengesetzten Gefühlen besetzt und somit niedergehalten. Dieser Mechanismus wird, zum Teil bewusst, eingesetzt, wenn Menschen sich von ihren eigenen Gefühlen überfordert fühlen. Da Borderlinern der Umgang mit den eigenen Gefühlen aber oft sehr schwerfällt und ihre Emotionen schneller Extreme erreichen, kann es passieren, dass z.B. aus Liebe Hass wird. Das wiederum ermöglicht die Abspaltung und Entwertung des Gegenübers (eines der häufigsten Symptome von BPS ist der schlagartige Wechsel zwischen Idealisierung und Abwertung des anderen Menschen). Sie versuchen dadurch emotionalen Druck abzubauen und sich selbst zu schützen.
Die Abwehrmechanismen von Menschen mit BPS sind zahlreich und komplex, haben aber immer einen Ursprung. Es lohnt sich deshalb, sich einmal genauer damit auseinanderzusetzen. Wenn Sie mehr über die Abwehrmechanismen von Menschen mit BPS sowie die Hauptsymptome der Krankheit lernen möchten, empfehlen wir Ihnen das Buch „Am Ende bleibt der Schmerz und die Frage WARUM? – Dynamik einer Borderline-Beziehung“ der Psychologischen Beraterin Suzi Pavic und des Borderline-Experten Ed Hellmeier.
Über die Autor:innen
Suzana Pavic wurde 1969 in Split/Kroatien geboren und lebt seit 1996 in Deutschland. Die Kriegser-eignisse im früheren Jugoslawien und die damit verbundenen Grausamkeiten, zu denen Menschen fähig sind, brachten sie dazu, sich eingehender mit der menschlichen Psyche zu beschäftigen und letztendlich die Ausbildung für Psychologische Beratung und Psychotherapie zu machen. Heute ist sie als Heilpraktikerin für Psychotherapie und Psychologische Beraterin tätig mit dem Schwerpunkt der Beratung von Menschen, die sich in problematischen Beziehungen befinden oder Schwierigkeiten haben, mit einer Trennung zurechtzukommen. Aufgrund eigener Erfahrungen beschäftigt sie sich seit 2004 sehr intensiv mit dem Thema Borderline und ist auch ehrenamtlich in einigen Projekten enga-giert. Ihr Buch basiert auf ihren Erfahrungen und den Erfahrungen und Erlebnissen anderer Men-schen, die sie durch ihre Tätigkeiten kennen lernen und begleiten durfte. Weitere Informationen über Frau Pavic und ihre Arbeit sind auf ihrer Seite www.suzana-pavic.de und www.borderline-beratung.com zu finden.
Ed Hellmeier wurde 1973 in Starnberg geboren. Er ist ehrenamtlich bei mehreren Borderline-Plattformen und Selbsthilfe-Projekten tätig. Ed hat im Jahr 2009 die Diagnose Borderline bekommen, und seitdem setzt er sich mit diesem Thema sehr intensiv auseinander. Mit seinem Einsatz konnte er vielen Menschen helfen.