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Citykirchen: Ein lebendiger Treffpunkt im säkularen Stadtleben

Citykirche

Citykirchen sind ein faszinierendes Phänomen im urbanen Raum, das sowohl religiöse als auch soziale Funktionen erfüllt. In einer Zeit, in der traditionelle Kirchengemeinden mit sinkenden Mitgliederzahlen und zunehmender Säkularisierung kämpfen, bieten Citykirchen eine innovative und ansprechende Lösung. Dieser Blogbeitrag beleuchtet die wesentlichen Punkte eines Artikels im Handbuch der Religionen, der die Rolle und Bedeutung von Citykirchen aus soziologischer Perspektive untersucht.

Was sind Citykirchen?

Citykirchen sind Kirchen in Innenstädten, die sich durch ihre Offenheit und ihre vielfältigen Angebote an ein breites Publikum richten. Sie entstanden als Reaktion auf die Entvölkerung der Innenstädte und den allgemeinen Rückgang der Kirchenmitglieder. Durch ihre strategische Neuausrichtung in den 1990er-Jahren schafften es viele dieser Kirchen, sich zu lebendigen Treffpunkten im städtischen Raum zu entwickeln.

Die Grundideen hinter Citykirchen

Die Konzeptualisierung von Citykirchen beruht auf vier zentralen Bestimmungen: Sie sollen als Gotteshäuser, als symbolische Orte der Stadtidentität, als Asylorte und als Spielräume fungieren. Diese Mehrfachfunktion ermöglicht es, dass Citykirchen nicht nur Orte des Gottesdienstes sind, sondern auch kulturelle, historische und soziale Bedeutungen tragen.

Besucherströme und ihre Zusammensetzung

Eine umfassende Befragung von 6449 Besuchern aus zwölf Citykirchen in Deutschland und der Schweiz zeigt, dass diese Kirchen vor allem ein touristisches Publikum anziehen. 81% der Besucher sind Touristen oder Geschäftsreisende, während nur 19% aus der lokalen Bevölkerung stammen. Interessanterweise sind die Besucher überwiegend gut gebildet und haben eine starke religiöse Orientierung, was sich in der hohen Zahl derjenigen zeigt, die einer religiösen Gemeinschaft angehören.

Besuchsverhalten und Motive

Die Motive für den Besuch einer Citykirche sind vielfältig. Viele Besucher sind an der Architektur und Geschichte der Kirchen interessiert, während andere die besondere Atmosphäre und einen Moment der Ruhe schätzen. Religiöse Motive spielen ebenfalls eine Rolle, aber oft sind es gerade die historischen und kulturellen Aspekte, die den ersten Anreiz zum Besuch geben.

Raumaneignung und Wahrnehmung

Beim Betreten einer Citykirche lassen sich die Besucher oft von der Atmosphäre leiten. Sie nehmen sich Zeit, um die Eindrücke auf sich wirken zu lassen, und lassen sich emotional ansprechen. Dies zeigt die Bedeutung der ästhetischen und architektonischen Qualität der Kirchenräume, die wesentlich zur Anziehungskraft der Citykirchen beiträgt.

Erwartungen an Citykirchen

Citykirchenbesucher haben sowohl persönliche als auch gesellschaftliche Erwartungen. Individuell wünschen sie sich Angebote wie Führungen und Informationen zur Geschichte und Architektur der Kirchen. Gesellschaftlich erwarten sie von Citykirchen, dass sie Raum für Gebet und Stille bieten und sich sozial und politisch engagieren, etwa gegen Fremdenfeindlichkeit und für gesellschaftliche Werte.

Potenziale und Herausforderungen

Citykirchen haben das Potenzial, eine stabile Besucherschaft zu bilden, die sich durch ihre hohe Religiosität und kulturelle Orientierung auszeichnet. Sie bieten eine wichtige Gelegenheitsstruktur für individuelle religiöse Erfahrungen und werden gleichzeitig als kirchliche Vertreter wahrgenommen. Allerdings bleibt die Reichweite begrenzt, da kirchenferne Personen nur schwer erreicht werden.

Fazit: Citykirchen als Ausdruck fortschreitender Säkularisierung

Citykirchen sind eine innovative Antwort auf die Herausforderungen der Säkularisierung. Sie schaffen es, religiöse und kulturelle Bedürfnisse zu vereinen und bieten Raum für individuelle und gesellschaftliche Erfahrungen. Durch ihre offene und vielfältige Ausrichtung tragen sie zur Stabilisierung der Kirchenverbundenheit bei und sind gleichzeitig Ausdruck einer sich wandelnden religiösen Landschaft. In einer zunehmend säkularen und multireligiösen Gesellschaft spielen sie eine wichtige Rolle als Orte der Begegnung und des Austauschs.

Citykirchen zeigen, dass religiöse Gebäude und Räume weiterhin von großer Bedeutung sind. Sie bieten nicht nur einen Ort der Besinnung und des Gebets, sondern auch einen Raum für kulturelle und soziale Interaktionen. In diesem Sinne sind Citykirchen ein lebendiges Beispiel dafür, wie sich Kirche und Stadt gegenseitig bereichern und wie religiöse Räume im urbanen Kontext neu definiert werden können.

Der vollständige Beitrag ist erschienen im Handbuch der Religionen:

Körs, Anna: Citykirchen aus soziologischer Perspektive: zwischen Profilierung, Selbstsäkularisierung und Stabilisierung. 80. Ergänzungslieferung 2024. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka & Martin Rötting (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum [Handbook of Religions. Churches and other Religious Communities in Germany and German-speaking Countries]. Westarp Science Fachverlag, Hohenwarsleben 2024.

Schlagwörter:
Citykirche, öffentliche Räume, Religionssoziologie, religiöse Sozialform, Säkularisierung, Selbstregulierung, Individualisierung, situative Vergemeinschaftung

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