Halluzinieren wir vor dem Tod? Peter Fenwick berichtet in seinem Werk „Die Kunst des Sterbens“ über Sterbebettvisionen.
Von Sterbebettvisionen haben die meisten Menschen schon gehört. Es gibt viele Berichte, dass die Sterbenden etwas sehen und hören, das den Lebenden verborgen bleibt. Doch was ist dran an diesen Geschehnissen? Sind sie nur ein Streich unseres Gehirns kurz vor unserem Tod oder sind sie Realität? Forscher und Wissenschaftler wie Dr. Peter Fenwick untersuchen diese Phänomene, die sich übrigens auch in den Berichten von Menschen finden, die ein Erlebnis mit dem Nahtod hatten.
Juni 2021. In seinem aktuellen Buch „Die Kunst des Sterbens“ erzählt Peter Fenwick, was Menschen vor ihrem Tod erlebt haben. Er beruft sich dabei auf die Berichte der Angehörigen, die den Sterbenden begleitet und diese Momente daher hautnah miterlebt haben.
Interessanterweise waren die sterbenden Personen, die diese Visionen erlebt haben, geistig klar oder bei einem kaum getrübten Bewusstsein. Man ist geneigt, von Halluzinationen zu sprechen. Doch ist es erstaunlich, dass dann offenbar zahlreichen Menschen dieselben beziehungsweise ähnliche Halluzinationen begegnen, und zwar überall auf der Welt. Gibt es dafür Erklärungen? Zum Beispiel die Arbeit der Großhirnrinde? Auf die Spitze getrieben, würde das bedeuten, dass bei uns Menschen kurz vor unserem Tod ein bestimmter Prozess im Gehirn einsetzt, der diese Halluzinationen hervorruft. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich das nicht ausschließen, es ist aber auch nicht unbedingt wahrscheinlich.
Halluzinationen und Sterbebettvisionen
Die Definition von Halluzinationen lautet: Es handelt sich um Sinneserfahrungen, die nicht auf körperlichen Wahrnehmungen beruhen und nicht von anderen Menschen geteilt werden. Sie sind also nur auf eine Person bezogen und rein geistiger Natur. Das erklärt jedoch gar nichts, denn jede Vision auf dem Sterbebett wäre der Definition nach eine Halluzination. Keiner der Umstehenden kann die Personen oder spirituellen Wesen hören oder sehen, die sich dem Sterbenden offenbaren. Dabei ist durchaus der Kontext der sterbenden Person bedeutsam. So sehen religiöse Menschen Engel oder andere Wesen, die zu ihrer Religion passen. Bemerkenswert ist auch, dass bereits Verstorbene gesehen werden, die ebenfalls als Tröster und Begleiter kommen. Manchmal erscheinen sie als Warner kurz vor dem Tod, manchmal sind sie bereits Tage vor dem Ableben anwesend. Es überrascht vielleicht, dass der Sterbende sich nicht den noch Lebenden in seinem Umfeld zuwendet, sondern einer anderen Welt, wie auch immer diese aussehen mag.
Diese Welt ist, so der einheitliche Tenor der Sterbebettvisionen, von Liebe, Wärme und Licht erfüllt. Die Begleiter nehmen den Sterbenden manchmal mit in eine Art Zwischenwelt, um ihm zu zeigen, dass er keine Angst vor dem Tod haben muss. Diese erscheint dem Patienten als absolut real; realer als die aktuelle Wirklichkeit. Es gibt ein Weiter, der Tod ist nicht das Ende. Das gilt im Übrigen auch für Erfahrungen von Menschen, die nicht religiös sind. Sie erzählen Ähnliches. Wer einen Nahtod erlebt hat, berichtet ebenfalls davon, diese Phänomene erlebt zu haben. Bekannt sind Tunnel, Licht und spirituelle Wesen oder Verwandte und Freunde. Wichtig scheint dabei zu sein, dass zu den gesichteten Personen im Leben immer eine gewisse emotionale Nähe bestand. Es werden bis auf die spirituellen Wesen stets Angehörige oder einstmals nahe Freunde, Bekannte, Kollegen gesehen.
Angehörige der Sterbenden berichten auch davon, dass der Patient in manchen Momenten eine Zimmerecke oder einen bestimmten Punkt im Raum fixiert, außerdem offenbar mit den Augen jemand Unsichtbarem folgt, der durch das Zimmer geht. Die Augen irren also nicht hin und her, sondern werden auf ein konkretes Ziel gerichtet.
Forschungen mit diskussionswürdigen Inhalten
Es gab umfassende Untersuchungen dazu. So wurde zum Beispiel eruiert, ob eine fliederfarbige Wand bewirkte, dass der Sterbende Fliedergeruch wahrnahm; ob die Vision direkt nach dem Besuch der Angehörigen stattfand; ob bei religiösen Menschen ein besonderer Feiertag als Auslöser diente. Im Endeffekt kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die Halluzinationen tröstlich, aber nicht weiter von Bedeutung sind. Das Material war allerdings auch kein Beweis gegen paranormale Phänomene, wie sie selbst zugaben.
Probleme dieser Forschungen waren nicht nur große zeitliche Differenzen zwischen den Beobachtungen und deren Interpretation, sondern auch die Schlussfolgerung der Bedeutungslosigkeit. Von dieser kann kaum die Rede sein, denn für den Sterbenden sind seine Sterbebettvisionen sowohl tröstlich als auch immens wichtig. Im Endeffekt lassen sie ihn leichter gehen, sofern er seine weltlichen Angelegenheiten in Ordnung gebracht hat. Auch die bereits erwähnte Tatsache, dass der Sterbende sich diesen Gestalten zuwendet und nicht mehr den Lebenden, die an seinem Bett stehen, ist bedenkenswert. Für diese Sterbebettvisionen kann es kaum eine genetische Erklärung geben, denn sie wäre absolut nutzlos, da der Betreffende diese Welt verlässt und somit nichts mehr zum Erhalt der Art beiträgt.
Fazit
Das Phänomen der Sterbebettvisionen oder ähnlicher Erfahrungen bei einem Nahtod bleibt ein spannendes Forschungsgebiet. Im Ganzen wird aus Peter Fenwicks Buch „Die Kunst des Sterbens“ aber schon jetzt klar, dass der Tod lange nicht so schlimm ist, wie er von den meisten Menschen wahrgenommen wird. Es scheint eine nächste Wirklichkeit zu geben.