Compassion als Brücke für eine nachhaltige Zukunft: Ein Blick auf Bildung und Mitgefühl

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In einer Zeit, in der soziale Veränderungen, ökologische Krisen und ein wachsendes Bewusstsein für globale Verantwortung immer stärker in den Vordergrund rücken, gewinnt das Konzept der Compassion – des Mitgefühls – zunehmend an Bedeutung. Doch wie lässt sich Compassion in unsere Bildungs- und Lebenswelten integrieren, um eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten? In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf das Potenzial von Compassion als Brücke zwischen Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und religiöser Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBNE) und erkunden, wie dieses Konzept zu einer ganzheitlichen und empathischen Gesellschaft beitragen kann.

Die Bedeutung von Compassion in der heutigen Zeit

Compassion, verstanden als tiefes Mitgefühl und aktive Solidarität, ist mehr als nur eine ethische Tugend. Es ist ein universelles Prinzip, das in vielen Religionen und spirituellen Traditionen verwurzelt ist und sich gleichzeitig über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg erstreckt. In einer Welt, die mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist – von der Klimakrise über soziale Ungerechtigkeiten bis hin zu globalen Gesundheitsproblemen – bietet Compassion einen Weg, diese Herausforderungen nicht nur zu erkennen, sondern auch aktiv anzugehen.

Johann Baptist Metz, ein führender Theologe, prägte den Begriff der Compassion als „Mitleidenschaft“ und betonte, dass es nicht ausreicht, passiv mitzuleiden. Vielmehr geht es darum, aktiv für diejenigen einzutreten, die unterdrückt oder marginalisiert werden. In diesem Sinne ist Compassion eine treibende Kraft für soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE): Ein Konzept für die Zukunft

Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) hat in den letzten Jahrzehnten weltweit an Bedeutung gewonnen. Ziel der BNE ist es, den Lernenden die Fähigkeiten und das Wissen zu vermitteln, die sie benötigen, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Dabei geht es nicht nur um ökologische Aspekte, sondern auch um soziale und ökonomische Dimensionen der Nachhaltigkeit.

Ein zentrales Anliegen der BNE ist es, die Lernenden zu befähigen, komplexe globale Zusammenhänge zu verstehen und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Dies erfordert eine ganzheitliche Sichtweise, die über Fachgrenzen hinausgeht und interdisziplinäres Denken fördert. Doch wie lässt sich BNE in den schulischen Alltag integrieren, und welche Rolle kann Compassion dabei spielen?

Compassion und Bildung: Eine fruchtbare Verbindung

Compassion kann als ein integraler Bestandteil der BNE betrachtet werden. Es ermöglicht den Lernenden, nicht nur die ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit zu erkennen, sondern auch eine tiefe emotionale und ethische Verbindung zu diesen Themen zu entwickeln. Dies ist besonders wichtig, da nachhaltige Entwicklung nicht nur auf rationalem Wissen basiert, sondern auch auf einer tiefen inneren Überzeugung, dass wir als Menschen Verantwortung für unsere Mitmenschen und die Umwelt tragen.

In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass Compassion weit über ein rein religiöses oder spirituelles Konzept hinausgeht. Es wird zu einem universellen ethischen Prinzip, das in allen Bildungsbereichen Anwendung finden kann. Ein Beispiel hierfür ist das Sozialpraktikum, das von Lothar Kuld entwickelt wurde und das Konzept von Compassion in die Praxis umsetzt. Hierbei haben Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, in sozialen Einrichtungen mitzuwirken und so ein tieferes Verständnis für soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Handeln zu entwickeln.

Religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBNE): Eine spirituelle Dimension der Nachhaltigkeit

Neben der allgemeinen BNE gibt es auch die religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBNE), die eine spirituelle und ethische Perspektive auf Nachhaltigkeit bietet. rBNE verbindet religiöse Werte und Prinzipien mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung und betont die Verantwortung, die Menschen gegenüber der Schöpfung und zukünftigen Generationen haben.

In der rBNE wird Nachhaltigkeit als eine moralische Verpflichtung verstanden, die tief in den religiösen Traditionen verwurzelt ist. Der christliche Glaube zum Beispiel betont die Bewahrung der Schöpfung als eine zentrale Aufgabe, die eng mit dem Prinzip der Compassion verbunden ist. Compassion in diesem Kontext bedeutet, dass wir nicht nur Mitgefühl für unsere Mitmenschen entwickeln, sondern auch für die gesamte Schöpfung – die Umwelt, die Tiere und die Pflanzen.

Praxisbeispiele: Compassion in der Bildungsarbeit

Wie lässt sich Compassion konkret in der Bildungsarbeit umsetzen? Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die EarthKids-Class, ein Konzept, das von Christina Steffens entwickelt wurde und das ökologische Lernen mit Compassion verbindet. In einem Schulgartenprojekt lernen Schülerinnen und Schüler nicht nur die Grundlagen des ökologischen Anbaus, sondern entwickeln auch ein tiefes Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Mensch und Natur. Sie erfahren, wie ihre Handlungen die Umwelt beeinflussen, und werden dazu angeregt, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen.

Ein weiteres Beispiel ist die Arbeit von Religionslehrkräften, die in einer Umfrage von Jennifer Jakob und Martin Rothgangel ihre Perspektiven zur Verbindung von BNE und rBNE erläuterten. Diese Lehrkräfte sehen BNE als eine wesentliche Aufgabe des Religionsunterrichts und betonen die Bedeutung von Compassion als eine grundlegende pädagogische Haltung. Sie vermitteln den Lernenden, wie ein nachhaltiges Leben im Einklang mit religiösen Werten möglich ist, und fördern dadurch eine ganzheitliche Bildung, die Kopf, Herz und Hand gleichermaßen anspricht.

Herausforderungen und Chancen: Compassion als ethisches Fundament

Trotz der positiven Ansätze, Compassion in der Bildung zu verankern, gibt es auch Herausforderungen. Christian Feichtinger weist darauf hin, dass Compassion als ethisches Konzept auch Risiken birgt, wie zum Beispiel die Gefahr der Empathieerschöpfung oder die ungleiche Verteilung von Mitgefühl. Es ist daher wichtig, Compassion als ein ausgewogenes und reflektiertes Konzept zu betrachten, das sowohl die Bedürfnisse des Einzelnen als auch der Gemeinschaft im Blick behält.

Dennoch bietet Compassion eine einzigartige Chance, die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu überwinden und eine Kultur des Mitgefühls und der Nachhaltigkeit zu fördern. In einer Zeit, in der die ökologische Krise und soziale Ungerechtigkeiten immer dringlicher werden, kann Compassion als Brücke dienen, um eine zukunftsfähige und gerechte Gesellschaft zu gestalten.

Schlussgedanken: Compassion als Wegweiser für eine nachhaltige Zukunft

Compassion, verstanden als tiefes Mitgefühl und aktive Solidarität, hat das Potenzial, Bildung für nachhaltige Entwicklung auf eine neue Ebene zu heben. Es verbindet ethische Prinzipien mit praktischen Handlungen und ermöglicht es den Lernenden, nicht nur die Welt um sie herum zu verstehen, sondern auch aktiv zu ihrer Verbesserung beizutragen.

Indem wir Compassion in unsere Bildungs- und Lebenswelten integrieren, schaffen wir die Grundlage für eine nachhaltige Zukunft, die auf Mitgefühl, Verantwortung und Gerechtigkeit basiert. Ob in der Schule, in der Gemeinde oder in der Gesellschaft – Compassion kann uns allen als Wegweiser dienen, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern und eine bessere Welt für kommende Generationen zu hinterlassen.

Der vollständige Beitrag ist erschienen im Handbuch der Religionen:

Domsel, Maike Maria & Steffens, Maurice: Compassion als Brücke zwischen BNE und rBNE? – Zeitsensible Weiterentwicklung eines theologischen Prinzips. 81. Ergänzungslieferung 2024. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka & Martin Rötting (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum [Handbook of Religions. Churches and other Religious Communities in Germany and German-speaking Countries]. Westarp Science Fachverlag, Hohenwarsleben 2024.

Schlagwörter:
Compassion, Bildung für nachhaltige Entwicklung, spirituelle Suchbewegungen, Nachhaltigkeit, Subjektorientierung

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