Die Spannweite hochinteressanter Themen beginnt in unserer 63. Ergänzungslieferung mit der durchaus formenreichen, noch heute sehr populären Verehrung des Heiligen Martin in der römisch-katholischen Kirche und weit darüber hinaus (Gedenktag: 11.11.). Das Ideal der Caritas (Schenken und Teilen, später auch Fordern) sind dabei beliebte Erscheinungsformen. Im Anschluss an seine Kölner Dissertation entfaltet und analysiert Martin Happ (Gymnasiallehrer und Fachhochschul-Lehrbeauftragter bei Köln) über Jahrtausende hinweg die komplexen alten und neuen Wege des weltweit verbreiteten (in den Rheinlanden besonders ausgeprägten) Martinsbrauchtums.
Gegen die vorurteilsbeladenen anti-jüdischen Körperbilder richtete sich in der Moderne eine „körperliche Renaissance der Juden“. Prof. Dr. Andreas Gotzmann (Ordinarius für Judaistik und Religionswissenschaft an der Universität Erfurt) untersucht diese Richtung kontextuell, reflektiert dabei auch differenziert die Genese der jüdischen Turn- und Sportvereine im deutschsprachigen Raum.
Seit etwa 40 Jahren hat sich vor allem in den USA in den evangelikal-protestantischen Gemeinden das statistisch erfolgreiche Modell einer sogenannten „Megakirche“ etabliert. Im Anschluss an ein von der DFG finanziertes Forschungsprojekt filtern Prof. Dr. Thomas Kern (Lehrstuhlinhaber für Soziologie, insb. soziologische Theorie) und seine Wiss. Mitarbeiterin, Dr. Insa Pruisken (Universität Bamberg), aus soziologischer Perspektive Hauptmerkmale des Megakirchenmodells in den USA und die Realisierungen im noch sehr von einer territorialen Kirchenordnung, aber auch freikirchlich geprägten Deutschland heraus. So wird schnell erklärbar, dass sich das Megakirchenmodell in Deutschland bislang nur wenig etabliert hat.
Der Religionswissenschaftler PD Dr. Tilman Hannemann (Wiss. Mitarbeiter, Institut für Philosophie, Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, Geschichte und Theorien der Religionen) porträtiert den charismatischen, durch öffentliche Auftritte berühmt gewordenen, umstrittenen, rechtlich andauernd verfolgten Wunderheiler Bruno Gröning (1906-1959). Hannemann beschreibt und erklärt multifaktoriell die Wirksamkeit Grönings durch Glaubensvorträge, Heilungen (zum Beispiel durch Handauflegen, Stimulierung des positiven Denkens), Ortsgemeinschaften und die noch heute nicht verschwundene Attraktivität der Heilungsbewegung um Gröning bis zu den Nachfolgegruppen nach dessen Tod.
Prof. Dr. Serdar Kurnaz (Ordinarius für Islamisches Recht in Geschichte und Gegenwart an der Humboldt-Universität zu Berlin) lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den andalusischen Philosophen, Juristen und Hofarzt Averroes (arab. kurz: Ibn Rušd, 520/1126 – 595/1198), bekannt als Kommentator von Aristoteles. Kurnaz präsentiert eine umfassend die geistigen und politischen Zusammenhänge berücksichtigende Kurzbiographie. Wir lernen so eine wirkungsvolle Gelehrsamkeit (speziell in den Bereichen Recht, Medizin, Theologie – relevant für die damalige Durchsetzung des Rationalismus) kennen, die noch in unserer Gegenwart als Modell für den interkulturellen/interreligiösen Dialog dienen kann.
Wir freuen uns, drei neue HdR-Editoren begrüßen zu können, die nunmehr unsere Beobachtungen und Analysen der religiösen Vielfalt unterstützen, nämlich in Hinsicht auf den Islam (Prof. Dr. Serdar Kurnaz), die Religionspädagogik (Prof. Dr. Thorsten Knauth, Universität Duisburg-Essen) und den Themenbereich Religionen und Kunst (Pfarrerin Dr. Sybille C. Fritsch-Oppermann, Lehrbeauftragte an der Technischen Universität Clausthal).