Die Hälfte der Beiträge der 76. Ergänzungslieferung befasst sich mit Themen aus dem christlichen Bereich. Unser Facheditor, apl. Prof. Dr. Martin Illert, Oberkirchenrat, Leiter des Referates Mittel-, Südost und Osteuropa im Kirchenamt der EKD in Hannover, analysiert „Ostkirchliche Erinnerungsorte in Deutschland“ am Beispiel des Gedenkens an den Slawenapostel Methodius in Ellwangen. „Sein Gedächtnis wird neben der orthodox-religiösen Tradition auch von säkular-politischen Motiven geprägt. Seit der politischen Wende 1989 treten auch interkulturelle und europapolitische Faktoren, die teils in den Diskursen um die Identität Südosteuropas eine Rolle spielen und teils den deutschen Migrations- und Europadiskursen entstammen, als weitere prägende Einflüsse des Methodius-Gedenkens hinzu.“
Die „Gemeinschaftsbewegung“ mit ihrem evangelistisch-missionarischen Profil, seit über 130 Jahren Teil der Christentumsgeschichte in Deutschland, geht auf pietistisch-erweckliche Konventikel im ausgehenden 19. Jahrhundert zurück. Dr. Eduard Ferderer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Kirchengeschichte an der Internationalen Hochschule Liebenzell, zeichnet die Anfänge der organisierten Gemeinschaftsbewegung (sog. „Gnadauer Konferenz“ 1888) nach, thematisiert die bis heute schwerste Krise aufgrund der Trennung von der Pfingstbewegung 1909, analysiert die Phase während des Nationalsozialismus, Teilung und schließliche Fusionierung des west- und ostdeutschen Zweiges (1991).
Miriam Schneider, seit 2019 Doktorandin an der Graduate School, Vrije Universiteit Amsterdam und Beauftragte für interreligiöse Fragestellungen der Christkatholischen Kirche der Schweiz, thematisiert „Altkatholizismus und interreligiöser Dialog: Standortbestimmung und Ausblick“, wobei deutlich wird, dass sich diese Kirche durchaus interreligiös engagiert, ohne bis jetzt eine theologische Grundlage aus altkatholischer Perspektive entwickelt zu haben.
Der schweizerische mennonitische Missionswissenschaftler Bernhard Ott beschreibt über 60 „Außeruniversitäre protestantische theologische Bildungseinrichtungen“ sowie Bildungseinrichtungen ohne formale Zertifizierung, die seit etwa 180 Jahren neben den staatlichen Universitäten bestehen und pietistisch, erwecklich, evangelikal, pentekostal und freikirchlich geprägt sind. „Es wird insgesamt deutlich, dass diese außeruniversitäre theologische Bildungslandschaft eine erhebliche Kraft der protestantischen biblisch theologischen Bildung im deutschsprachigen Raum darstellt.“
Dr. Jessica Schmidt-Weil, Lehrerin und Dozentin an der School of Jewish Theology/Potsdam für Jüdische Religionspädagogik (Promotion zum Thema „Jüdische Identität und Religionsunterricht“), gibt „Orientierungshilfe in der Dialektik von Beheimatung und Begegnung. Jüdische Erziehung, Religionspädagogik und Religionslehre in Deutschland“. Dem jüdischen Religionsunterricht schreibt die Autorin die Aufgabe zu, „der Kommunikation der Schülerinnen und Schüler mit den jüdischen Traditionen in der gegenwärtigen Welt zu dienen. […] Eine Herausforderung besteht dabei darin, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern die Pluralität des Judentums zu vermitteln.“
Die Bonner Vergleichende Religionswissenschaftlerin Dr. Ulrike Peters, Referentin im Bereich Katholische Seelsorge für Roma, Sinti und verwandte Gruppen im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, gibt in ihrem Beitrag „`Königsgräber` in Bonn als Beispiel der Roma-Grabkultur“ einen faszinierenden Einblick in eines der prägnantesten Beispiele der Roma-Grabkultur auf deutschen Friedhöfen. In Bonn-Beuel befinden sich etwa 70, teils sehr monumentale Roma-Gräber der Großfamilien Czori und Goman.
„Umweltethische Diskurse des 20. und 21. Jahrhunderts: Islamische und jüdische Perspektiven“ stellen Dr. Sara Binay, Referentin der Leitung des Berliner Instituts für Islamische Theologie (Humboldt-Universität), und Mona Feise-Nasr, M.A., Wissenschaftliche Mitarbeiterin am selben Institut, vor. Dabei unterstreichen sie, dass die „jüdische und die muslimische Tradition bei der Betrachtung der zeitgenössischen Aktionsformen der Umweltethik“ eine große Nähe zueinander besitzen.
Eine ausführliche Rezension des Werkes von Udo Schaefer „Studien zum Bahā’ītum – Ethische Aspekte der Schrift. Band 1 – Grundlagen“ legt die Akademische Rätin für Erwachsenen- und Weiterbildung an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg, Dr. Gundula Negele, vor. Der zuletzt als Oberstaatsanwalt im Baden-Württembergischen Justizdienst tätige Udo Schaefer (1926-2019) gehörte zu den bedeutendsten zeitgenössischen Bahai-Theologen.