Intersektionalität ist ein Konzept, das tief in die Dynamik von Diskriminierung und sozialer Gerechtigkeit eintaucht. Es befasst sich mit dem Zusammenspiel verschiedener Unterdrückungsmechanismen und zeigt auf, wie soziale Kategorien wie Geschlecht, Herkunft, Klasse, Alter und Behinderung nicht isoliert voneinander wirken.
Ursprünge und Definition
Der Begriff „Intersektionalität“ wurde von der US-amerikanischen Juristin und Aktivistin Kimberlé Crenshaw in den späten 1980ern geprägt. Er beschreibt das Zusammenwirken mehrerer Unterdrückungsmechanismen und geht davon aus, dass Diskriminierungserfahrungen nicht einfach addiert, sondern als sich gegenseitig beeinflussend verstanden werden müssen.
Crenshaws Fallstudie
Crenshaw veranschaulichte das Konzept der Intersektionalität am Beispiel eines Falles, in dem General Motors fast allen Schwarzen Arbeiterinnen kündigte. Das Gericht bewertete diese Kündigung weder als rassistisch noch als sexistisch, da die Kategorien Rassismus und Sexismus getrennt voneinander betrachtet wurden. Hierdurch wurden die spezifischen Diskriminierungserfahrungen Schwarzer Frauen ignoriert, die so weder Nicht-schwarze Frauen noch Schwarze Männer erfahren würden.
Das Bild der Verkehrskreuzung
Zur Veranschaulichung ihrer Theorie benutzte Crenshaw das Bild einer Verkehrskreuzung. Jede Fahrbahn steht für eine andere soziale Kategorie, und bei Mehrfachdiskriminierung treffen diese Kategorien zusammen, was zu „Unfällen“ führt, bei denen immer mehr als nur eine Kategorie involviert ist.
Erweiterung des Konzepts
Neben Rassismus und Sexismus können weitere Merkmale wie Krankheit, Behinderung, sexuelle Orientierung, Religion und sozialer Status in die intersektionale Analyse einbezogen werden. Jede Kombination dieser Merkmale führt zu neuen Unterdrückungsformen, die es zu erkennen und zu bekämpfen gilt.
Bedeutung in der Geschlechterforschung
Intersektionalität ist heute einer der einflussreichsten Ansätze in der Geschlechterforschung. Es ermöglicht das Sichtbarmachen von Ungleichheiten innerhalb von Ungleichheiten und schützt Minderheiten innerhalb von Minderheiten.
Fazit
Intersektionalität bietet einen umfassenden Rahmen, um die komplexen und vielschichtigen Formen von Diskriminierung zu verstehen. Es erweitert unseren Blick auf soziale Gerechtigkeit und eröffnet neue Handlungsspielräume für die Bekämpfung von Diskriminierung in all ihren Formen.
Weiterführende Lektüre
Wenn Sie mehr über das Thema Intersektionalität lesen möchten, empfehlen wir Ihnen die Ergänzungslieferung Nummer 75 in unserem „Handbuch der Religionen“. Die zehn Beiträge dieser Ergänzungslieferung legen ihren Schwerpunkt auf das sozialanalytische Konzept der Intersektionalität und greifen dazu die Perspektiven aus den unterschiedlichen Fachdisziplinen auf, die sich aus der Religions- und Islamwissenschaft, der Theologie sowie der Gemeinde- und Religionspädagogik mit dem Konzept befassen:
- Religion als diskursive, intersektionale und performative Kategorie (DIP) der Wissensproduktion (Ulrike E. Auga)
- Die Diversität der Diversität (Kristina Göthling-Zimpel & Claudia Jahnel)
- Intersektionalität und Religion(swissenschaft) (Jessica A. Albrecht)
- Ja zur Intersektionalität, aber Nein zu muslimischer Vielfalt? (Hakan Caliskan)
- Quellen im Kreuz(ungs)feuer, Kirchengeschichte am Scheideweg (Benedikt Bauer)
- Subversionen der Deutungshoheit (Christian Boerger)
- Intersektionalität – ein Thema der Religionspädagogik (Stefan van der Hoek)
- Gemeindepädagogik und Intersektionalität (Felicitas Held)
- Sojourner Truth (1797–1883) (Stefan van der Hoek)
- Audre Lorde. Black, Lesbian, Mother, Warrior, Poet (Jessica A. Albrecht
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