Kirchliche Männerarbeit im Kontext von Geschlechterrollen
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit einem Praxisfeld kirchlichen Handelns, das sich einer bewusst geschlechtsspezifischen Perspektive bedient: der Männerarbeit. Es soll geklärt werden, worum es sich bei diesem traditionellen Themenfeld handelt, wie es historisch gewachsen ist und welche Relevanz ihm in einem modernen gesellschaftlichen Diskurs über die Konstruktionen der Geschlechter zukommt. Es wird dabei gezeigt, dass eine empirisch belegbare Wechselwirkung zwischen Geschlecht und Religion existiert, die allerdings vorrangig durch die Konstruktion von Geschlechterrollen begründet ist. Offensichtlich zeichnet viele Männer eine deutliche Distanz zu institutionalisierten Formen der Religion aus, und sie entwickeln daher spezifische Formen spiritueller Ressourcen. Kirchliche Männerarbeit reagiert darauf mit dem entsprechenden Angebot an Formaten und Räumen. Sie begleitet Männer auf ihrem Weg durch die sich ständig wandelnde Lebenswirklichkeit. Daher wird sich Männerarbeit immer in dreifacher Anwaltschaft verstehen müssen: für die Männer und ihre spirituellen Bedürfnisse, für den Dialog zwischen Männern und religiöser Institution sowie für eine Anknüpfungsfähigkeit sich wandelnder Ausprägungen von Männlichkeit an den Diskurs über Geschlechtergerechtigkeit in Religion, Kirche und Gesellschaft.
Religion und Geschlecht – Religion und Männlichkeit
Geschlechterrollen beeinflussen den Grad der Religiosität eines Menschen. Dabei existiert offensichtlich eine duale Komplementarität zwischen den Kategorien Religion und Geschlecht: Einerseits wird davon ausgegangen, dass zum Beispiel Männer oder Frauen unterschiedliche Zugänge zu Religion wählen, und andererseits, dass religiöse Formen bereits eine gewisse Geschlechtsaffinität in sich tragen. Über die Tatsache, dass in der Empirie erhebliche Differenzen im Verhältnis der Geschlechter zu Religion und religiöser Praxis beobachtbar sind, herrscht wissenschaftlicher Konsens. Der eigentliche Diskurs wird dagegen über die Frage geführt, wie solche Unterschiede konstruiert sind, ob sie ausschließlich soziokulturellen Prägungen unterliegen oder ob es anthropologische Grundkonstanten gibt, die zum Beispiel eine erhobene Religionsnähe von Frauen und eine Religionsdistanz von Männern festschreiben würden. Die aus dieser Differenzierung entwickelte – nicht unumstrittene – These von der sogenannten Feminisierung der Religionen und Kirchen seit dem späten 18. Jahrhundert hat zu einer Marginalisierung der Forschungsperspektive auf Religion und Männlichkeit geführt. Dennoch liegen empirische Ergebnisse dazu vor. Daher werden in diesem Beitrag konkrete empirische Beobachtungen beschrieben, die sich direkt auf das Praxisfeld Männerarbeit auswirken oder den Grad seiner Relevanz beschreiben.
Über den Autor
Martin Rosowski ist evangelischer Theologe und Historiker. Er ist Geschäftsführer des Evangelischen Zentrums Frauen und Männer gGmbH, Leiter des Fachbereiches Männerarbeit und Vorstand des Bundesforums Männer – Interessenverband für Jungen, Männer und Väter e. V.