Künstliche Intelligenz als Lerninhalt im Religionsunterricht

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In einer Welt, in der Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) rasant voranschreiten, stehen Bildungseinrichtungen und speziell der Religionsunterricht vor neuen Aufgaben. Der Einsatz von KI-Technologien beeinflusst nicht nur die Lebenswelt der jungen Generation, sondern bringt auch philosophische, ethische und theologische Fragen mit sich. Diese Fragen bieten dem Religionsunterricht eine Möglichkeit, die Rolle des Menschen in einer zunehmend digitalisierten Welt zu hinterfragen und junge Menschen auf den verantwortungsvollen Umgang mit Technologie vorzubereiten.

Die Rolle des Religionsunterrichts im digitalen Zeitalter

Religionsunterricht hat das Ziel, Schüler*innen zu einer kritischen Reflexion über sich selbst und ihre Umwelt zu befähigen. In der Auseinandersetzung mit KI-Technologien entsteht eine besondere Verantwortung: Es gilt, die Auswirkungen von KI auf das Menschenbild, auf soziale Beziehungen und auf ethische Werte zu thematisieren. KI und Digitalisierung sind Phänomene, die den Rahmen des Religionsunterrichts irreversibel verändern. Besonders die sogenannte „schwache KI“ – also KI-Anwendungen, die auf spezifische Aufgaben ausgerichtet sind – hat einen direkten Einfluss auf den Alltag der Schüler*innen und die Art, wie sie lernen und kommunizieren.

Anthropologische Herausforderungen: Das Menschenbild im Wandel

Ein zentrales Thema ist die Frage, wie sich das Bild des Menschen durch die Entwicklung von KI verändert. In der Theologie und in der Ethik ist das Menschenbild traditionell eng mit den Konzepten von Seele, Selbstbestimmung und moralischer Verantwortung verbunden. KI stellt diese Konzepte in Frage. Wenn Maschinen menschliches Verhalten imitieren können, stellt sich die Frage: Was macht uns als Menschen aus?

KI-Technologien wecken in vielen Bereichen den Traum von Perfektion und Unsterblichkeit. Dieser „Transhumanismus“ – die Idee, dass der Mensch sich durch Technologie selbst optimieren kann – kollidiert mit dem christlichen Konzept der Endlichkeit und Erlösung. Für den Religionsunterricht ist es daher wichtig, Schüler*innen zu zeigen, dass menschliches Leben nicht nur aus technischen Möglichkeiten besteht, sondern dass auch ethische und spirituelle Werte eine entscheidende Rolle spielen.

Ethische Herausforderungen: Verantwortung und Diskriminierung

Ein weiterer Aspekt ist die ethische Dimension von KI. Künstliche Intelligenz kann diskriminierende Entscheidungen treffen, da sie oft auf Daten basiert, die menschliche Vorurteile widerspiegeln. Beispielsweise könnten KI-Modelle aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder sozioökonomischem Status Benachteiligungen reproduzieren. Der Religionsunterricht kann hier ansetzen, um Schüler*innen zu einem kritischen Umgang mit solchen Technologien zu ermutigen.

KI kann auch dazu führen, dass Verantwortung und Handlungsfreiheit in Frage gestellt werden. Wenn Maschinen Entscheidungen treffen, die das Leben von Menschen betreffen, wer trägt dann die Verantwortung? Diese Frage nach Verantwortung berührt zentrale ethische Werte und ist ein Thema, das im Religionsunterricht reflektiert werden sollte.

Zwischenmenschliche Beziehungen und der Einfluss von KI

Die digitale Welt verändert auch, wie Menschen miteinander kommunizieren und Beziehungen aufbauen. Gerade in sozialen Netzwerken und durch Kommunikationsplattformen entsteht oft ein Gefühl der Entfremdung. Dies kann zu Isolation und Einsamkeit führen – Probleme, die die menschliche Psyche belasten.

Im Kontext der christlichen Ethik geht es jedoch darum, dass persönliche Beziehungen auf Respekt und Verständnis basieren sollten. Der Religionsunterricht bietet die Möglichkeit, mit Schüler*innen über die Bedeutung echter, lebendiger Begegnungen nachzudenken und ihnen zu zeigen, dass digitale Kontakte den direkten Austausch nicht vollständig ersetzen können.

Frieden und Verantwortung im digitalen Zeitalter

Künstliche Intelligenz hat nicht nur Einfluss auf das individuelle Leben, sondern auch auf gesellschaftliche und politische Ebenen. Insbesondere der Einsatz von KI in militärischen Anwendungen und Überwachungstechnologien birgt Gefahren, die weit über den persönlichen Bereich hinausgehen. Die Tatsache, dass KI in der Kriegsführung und zur Destabilisierung eingesetzt werden kann, stellt die Gesellschaft vor ethische Herausforderungen. Der Religionsunterricht kann hier ein Bewusstsein schaffen für die Bedeutung von Frieden und Verantwortung.

Religionspädagogische Perspektiven: Die Rolle des Glaubens in der digitalen Welt

Der Religionsunterricht bietet die Möglichkeit, einen Dialog zwischen Wissenschaft, Theologie und Glaube zu fördern. Junge Menschen sollen in die Lage versetzt werden, KI und ihre Implikationen aus einer christlichen Perspektive zu reflektieren. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung technischer Kenntnisse, sondern auch um die Entwicklung ethischer und spiritueller Kompetenzen. Der Religionsunterricht kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, indem er die Schüler*innen ermutigt, ihre eigene Haltung zu Fragen der Verantwortung, des Menschseins und des Glaubens zu finden.

Fazit: Neue Technologien und das Bewahren von Werten

Künstliche Intelligenz bringt viele Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich. Für den Religionsunterricht ergibt sich daraus die Aufgabe, Schüler*innen auf die digitale Zukunft vorzubereiten, ohne dabei die Grundwerte der Menschlichkeit zu verlieren. KI sollte als Werkzeug betrachtet werden, das das menschliche Leben bereichern kann – aber sie darf nicht die Rolle übernehmen, die nur Menschen selbst ausfüllen können: die Fähigkeit zu Liebe, Empathie und Mitgefühl.

Der vollständige Beitrag ist erschienen im Handbuch der Religionen:

Chrostowski, Mariusz: Anthropologische, ethische und theologische Problemzonen der Künstlichen Intelligenz als Lerngegenstand im Religionsunterricht. 82. Ergänzungslieferung 2024. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka & Martin Rötting (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum [Handbook of Religions. Churches and other Religious Communities in Germany and German-speaking Countries]. Westarp Science Fachverlag, Hohenwarsleben 2024.

Schlagwörter:
Künstliche Intelligenz, Religionsunterricht, Lerngegenstand, Ethik, Anthropologie

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