Menschenrechtsbezogene religiöse Bildung

menschenrechtsbezogene religioese bildung

Ein Weg zur Bewältigung der Krisen unserer Zeit?

In einer Welt, die von zahlreichen Krisen geprägt ist, stellt sich die Frage, wie religiöse Bildung einen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen leisten kann. Johannes Heger zeigt in seinem Artikel „Menschenrechtsbezogene religiöse Bildung als eine Option krisensensibler Religionspädagogik“ auf, dass eine menschenrechtsorientierte religiöse Bildung ein vielversprechender Ansatz sein könnte. Dieser Blogbeitrag fasst die wesentlichen Punkte seines Artikels zusammen und zeigt, wie religiöse Bildung in Krisenzeiten wirksam sein kann.

Die Krise als Dauerzustand

Das 21. Jahrhundert ist von einer Vielzahl von Krisen geprägt: Kriege, Klimawandel, wirtschaftliche Instabilitäten und die Nachwirkungen der Corona-Pandemie bestimmen unseren Alltag. Diese Krisen sind nicht nur zahlreich, sondern auch miteinander verflochten, was ihre Bewältigung enorm erschwert. Heger spricht von einer „Krise aus Krisen“, die unsere Gesellschaft und jeden Einzelnen von uns vor immense Herausforderungen stellt.

Die Religionspädagogik sieht sich in dieser Situation gefordert, Lösungen zu finden, die sowohl wissenschaftlich fundiert als auch praktisch umsetzbar sind. Doch die anhaltenden Krisen haben auch die religiösen Hoffnungsnarrative infrage gestellt. Die Normalisierung des Krisenzustands führt dazu, dass viele Menschen die Krise als unveränderlichen Dauerzustand akzeptieren. Dies schwächt die Kraft religiöser Botschaften, die auf Veränderung und Hoffnung abzielen.

Hoffnung in der Krise

Trotz dieser Herausforderungen gibt es Ansätze in der Religionspädagogik, die Hoffnung und Transformation in den Mittelpunkt stellen. Heger betont, dass religiöse Bildung nicht nur darauf abzielt, Krisen zu überwinden, sondern auch darauf, Menschen in ihrer individuellen und gesellschaftlichen Bewältigung von Krisen zu unterstützen. Ein zentraler Begriff in diesem Zusammenhang ist die „Krise“ selbst, die im ursprünglichen Sinne eine Entscheidungssituation beschreibt. Religionspädagogik kann hier als Katalysator wirken, indem sie durch Reflexion und wissenschaftliche Impulse zur Überwindung der Krise beiträgt.

Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Rolle der jüdisch-christlichen Glaubenstradition, die als Quelle der Hoffnung und Humanität dienen kann. Mirjam Schambeck weist darauf hin, dass religiöse Bildung durch die Gnadentheologie auch das Scheitern und die Brüche des Lebens in einem neuen Licht betrachten kann. Dies zeigt, dass religiöse Bildung nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch wirksam sein kann, indem sie Menschen in Krisensituationen unterstützt.

Hürden für religiöse Hoffnungsnarrative

Die Krise als Dauerzustand stellt jedoch auch religiöse Hoffnungsnarrative vor große Herausforderungen. Heger identifiziert zwei zentrale Hürden:

  1. Schwindende performative Kraft des Krisenbegriffs: Die Gewöhnung an krisenhafte Zustände führt dazu, dass die Krise als unveränderliche Realität wahrgenommen wird. Dies schwächt die Kraft des Krisenbegriffs, der eigentlich auf Veränderung abzielt.
  2. Bedingte religiöse Musikalität: Viele Jugendliche haben heute nur noch begrenzten Zugang zu religiösen Sprachspielen und Hermeneutiken. Die Pluralität religiöser und weltanschaulicher Optionen erschwert es, religiöse Botschaften verständlich und plausibel zu machen.

Diese Hürden erfordern eine Neuausrichtung der Religionspädagogik, die sowohl theoretisch als auch praktisch auf die Herausforderungen der modernen Welt eingeht.

Strukturelemente einer krisensensiblen Religionspädagogik

Heger skizziert mehrere Strukturelemente, die eine krisensensible Religionspädagogik (kRP) auszeichnen:

  1. Fokussierte Krise im Horizont der Krisen: Ein Beispiel ist die religiöse Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBNE), die die Klimakrise in den Mittelpunkt stellt, aber gleichzeitig den gesamten Krisenhorizont im Blick behält.
  2. Interdisziplinarität und Diskursfähigkeit: Eine krisensensible Religionspädagogik arbeitet interdisziplinär und bezieht sowohl gegenstandsbezogene Wissenschaften (z.B. Meteorologie) als auch bildungsbezogene Wissenschaften (z.B. Geografiedidaktik) ein.
  3. Bidirektionale Transformation: Religionspädagogik muss sich nicht nur auf die Transformation der Gesellschaft konzentrieren, sondern auch bereit sein, sich selbst zu transformieren. Dies bedeutet, dass religiöse Bildung offen für Veränderungen sein muss, die durch die Krisen selbst angestoßen werden.

Menschenrechte als zentrales Element

Ein zentraler Aspekt einer krisensensiblen Religionspädagogik ist die Betonung der Menschenrechte. Heger argumentiert, dass eine menschenrechtsorientierte religiöse Bildung besonders geeignet ist, um auf die Herausforderungen der modernen Welt zu reagieren. Menschenrechte können als Seismografen für Krisen dienen und bieten einen hermeneutischen Schlüssel zur Reflexion über die Krise aus Krisen.

Ein menschenrechtsorientierter Ansatz in der religiösen Bildung kann auch als Resonanzraum für religiöse Weltdeutungen dienen. Er ermöglicht es, religiöse Traditionen in den gesamtgesellschaftlichen Diskurs einzubringen und so zu einem humanen Miteinander beizutragen. Dies zeigt, dass religiöse Bildung nicht nur innerhalb der Glaubensgemeinschaften wirksam sein kann, sondern auch in der breiteren Gesellschaft.

Fazit: Ein Weg aus der Dauerkrise

Hegers Artikel zeigt, dass eine menschenrechtsorientierte religiöse Bildung ein vielversprechender Ansatz ist, um auf die Herausforderungen der modernen Welt zu reagieren. Sie bietet nicht nur theoretische Einsichten, sondern auch praktische Ansätze, die in der religiösen Bildung umgesetzt werden können.

Die Krise als Dauerzustand stellt uns vor immense Herausforderungen, aber sie bietet auch die Möglichkeit zur Transformation. Religionspädagogik kann hier eine zentrale Rolle spielen, indem sie Hoffnung und Humanität in den Mittelpunkt stellt. Durch eine krisensensible und menschenrechtsorientierte religiöse Bildung können wir einen Weg aus der Dauerkrise finden und zu einem humanen Miteinander beitragen.

Dieser Blogbeitrag basiert einem Fachartikel, der im Handbuch der Religionen erschienen ist:

Heger, Johannes: Menschenrechtsbezogene religiöse Bildung als eine Option krisensensibler Religionspädagogik. 83. Ergänzungslieferung 2025. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka & Martin Rötting (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum [Handbook of Religions. Churches and other Religious Communities in Germany and German-speaking Countries]. Westarp Science Fachverlag, Hohenwarsleben 2025.

Schlagwörter:
Krise, Menschenrechte, Menschenrechtebildung, Gerechtigkeit, ethisches Lernen, religiöse Bildung, Wissenschaftstheorie, Bildung für nachhaltige Entwicklung

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