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Sterbehilfe ist ein Thema, das tiefgreifende ethische, rechtliche und persönliche Fragen aufwirft. In einer modernen Gesellschaft, in der Autonomie und Selbstbestimmung im Mittelpunkt stehen, gewinnen Diskussionen über ein menschenwürdiges Sterben an Bedeutung. Doch wie gehen wir damit um? Der Blick auf die verschiedenen Weltreligionen kann uns unterschiedliche Perspektiven und Antworten auf diese Frage geben.

Die Facetten der Sterbehilfe

Sterbehilfe ist nicht gleich Sterbehilfe. Es gibt verschiedene Formen: Tötung auf Verlangen, Hilfe zur Selbsttötung, Therapien am Lebensende und das Sterbenlassen. Jede dieser Formen wirft unterschiedliche moralische und ethische Fragen auf, die von der Gesellschaft sorgfältig erwogen werden müssen.

Religiöse Perspektiven auf das Leben und Sterben

Die Weltreligionen – Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und Islam – bieten ein breites Spektrum an Sichtweisen auf das Leben und das Lebensende. Bei allen Unterschieden ist die Wertschätzung des Lebens eine Konstante. Wenn es jedoch um das Ende geht, variieren die Ansichten: Von der Betonung der Leidensminderung bis zur unbedingten Lebenserhaltung.

Tötung auf Verlangen und Selbstbestimmung

In der Diskussion um die Tötung auf Verlangen zeigen sich deutliche Divergenzen zwischen religiösen Überzeugungen und dem modernen Verständnis von Selbstbestimmung. Wie wägen wir das Recht auf Selbstbestimmung gegen die sakrale Sicht des Lebens ab?

In den monotheistischen Religionen wie Judentum, Christentum und Islam wird die Tötung auf Verlangen aufgrund der Heiligkeit des Lebens und der Auffassung, dass nur Gott über Leben und Tod entscheiden darf, grundsätzlich abgelehnt. Auch im Hinduismus und Buddhismus wird eine ablehnende Haltung eingenommen, allerdings mit unterschiedlichen Begründungen, die sich auf die Reinkarnation und das Streben nach einem gewaltfreien Leben stützen. Diese Religionen betonen die Bedeutung des Lebensschutzes und der Menschenwürde, die durch die Tötung auf Verlangen verletzt wird.

Hilfe zur Selbsttötung: Ein Dilemma der Autonomie

Die Hilfe zur Selbsttötung stellt uns vor die Frage, inwieweit Autonomie am Lebensende respektiert werden soll. Religiöse Lehren geben unterschiedliche Antworten auf die Frage nach der Selbstbestimmung am Lebensende.

In den Weltreligionen, insbesondere in den monotheistischen Religionen, die den Schutz des Lebens betonen, findet sich eine ähnlich ablehnende Haltung gegenüber der Hilfe zur Selbsttötung. Während der Protestantismus in bestimmten Fällen Raum für individuelle Entscheidungen und Abwägungen zwischen Lebensschutz und individueller Autonomie lässt, bleibt die katholische Kirche strikt gegen jede Form der Selbsttötung. Im Hinduismus und Buddhismus gilt der Suizid als unvereinbar mit religiösen Zielen wie der Überwindung des Leidens durch spirituelle Erleuchtung. Allerdings gibt es in diesen Traditionen Nuancen in der Bewertung selbstbestimmter Entscheidungen am Lebensende.

Therapien am Lebensende: Zwischen Intervention und Akzeptanz

Die moderne Medizin bietet vielfältige Therapien am Lebensende. Doch wann ist es Zeit, von der aktiven Behandlung abzusehen und das Sterben zuzulassen? Die Antworten der Weltreligionen reichen von der aktiven Lebensverlängerung bis zur Akzeptanz des Todes als Teil des Lebens.

In allen betrachteten Religionen wird das Konzept von Therapien am Lebensende, die das Leiden lindern, grundsätzlich akzeptiert, insbesondere wenn sie mit dem Respekt vor der Würde des Menschen und der Vermeidung unnötigen Leidens vereinbar sind. Die Schöpfungsreligionen legen dabei besonderen Wert auf die Erhaltung des Lebens, solange es sinnvoll ist, während asiatische Religionen wie Hinduismus und Buddhismus einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der die Lebensqualität und das spirituelle Wohlbefinden betont. Die Entscheidung, lebensverlängernde Maßnahmen zu beenden, wird oft im Kontext der Selbstbestimmung und unter Berücksichtigung der individuellen Lebensumstände getroffen​​.

Sterbenlassen: Die letzte Respektbekundung

Das Sterbenlassen, das oft im Zusammenhang mit der Palliativmedizin diskutiert wird, berührt tiefste Fragen der Würde, des Respekts und der Menschlichkeit. Religiöse Traditionen bieten dazu wertvolle Einsichten und Rahmenbedingungen.

Die Religionen erkennen das Sterbenlassen als Teil des natürlichen Lebensprozesses an, wobei die Autonomie des Patienten und sein Wille zu respektieren sind, insbesondere wenn keine Hoffnung auf Heilung besteht. Während in den monotheistischen Traditionen das Sterbenlassen im Rahmen der göttlichen Ordnung und unter Achtung der Menschenwürde erfolgen soll, betonen Hinduismus und Buddhismus die Bedeutung eines bewussten und gewaltfreien Übergangs im Einklang mit karmischen und spirituellen Prinzipien. In allen Fällen wird die Bedeutung von Mitgefühl, angemessener Fürsorge und Respekt gegenüber dem Sterbenden betont.

Fazit: Ein Dialog der Kulturen und Überzeugungen

Der Umgang mit Sterbehilfe erfordert einen sensiblen und respektvollen Dialog zwischen unterschiedlichen religiösen, ethischen und persönlichen Überzeugungen. Durch das Verstehen und die Wertschätzung der verschiedenen Perspektiven können Wege gefunden werden, um jedem Menschen ein würdiges Lebensende zu ermöglichen.

Der vollständige Beitrag ist erschienen im Handbuch der Religionen:

Coors, Michael: Ethische Positionen zur Sterbehilfe in den Weltreligionen: Ein Vergleich aus evangelisch-theologischer Perspektive. 70. Ergänzungslieferung 2021. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka & Martin Rötting (Hg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland und im deutschsprachigen Raum [Handbook of Religions. Churches and other Religious Communities in Germany and German-speaking Countries]. Westarp Science Fachverlag, Hohenwarsleben 2024.

Schlagwörter:

Sterbehilfe, Lebensschutz, Medizin, Tod, Sterben

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