Religionssensibilität als Diversitätskompetenz
In einer ersten Klasse in Deutschland in einer mittelgroßen Stadt sitzen im Jahr 2022 Benjamin neben Aniek und Reza neben Caue. Die gesellschaftliche Sozialstruktur der Zukunft lässt sich in unserer Gegenwart – mit klischeehaften Stereotypen von Vornamen verdeutlicht – an der vielfältigen Zusammensetzung in Schulklassen hinsichtlich Ethnizität, Gender, Beeinträchtigungen und mit größerer Ungewissheit auch hinsichtlich kultureller, religiöser und weltanschaulicher Prägungen und sozioökonomischer Hintergründe ablesen. Kinder wachsen in Vielfalt auf und in sie hinein. Diversitätskompetenz ist für das gegenwärtige und zukünftige Leben daher unverzichtbar und grundlegendes Erziehungsziel pädagogischen Handelns. Entsprechend erweist die Religionspädagogik als Teil der allgemeinen Pädagogik ihre Zukunftsfähigkeit nicht unwesentlich durch die Entwicklung einer diversitätsbewussten Perspektive.
Religionssensible Pädagogik der Vielfalt
Religionssensibilität ist eine Handlungstheorie, die nicht ekklesiologisch (also beim Interesse der Kirche) ansetzt, sondern anthropologisch, das heißt beim jungen Menschen und seiner Religiosität, wie schon seine Entstehung zeigt. Der Begriff der Religionssensibilität entstand im Umfeld des informellen Lernens der Jugendhilfe und des sozialen Lernens. Zwischen 2005 und 2008 wurde am Jugendpastoralinstitut Don Bosco in Benediktbeuren das Konzept der „religionssensiblen Erziehung“ entwickelt, das als Ziel hatte, Religion und religiöse Erziehung als impliziten Teil der Fachlichkeit in die Erziehungshilfe zu integrieren. Mittlerweile wurde dieses Konzept auf andere religionspädagogische Felder wie Kindertagesstätten und Schulen übertragen. Im Kontext der Diakonie und der sozialen Arbeit hat gegenwärtig das Rauhe Haus in Hamburg eine Vorreiterrolle eingenommen und das Benediktbeurener Konzept zu einer religions- und kultursensiblen Erziehung weiterentwickelt, bei der die Perspektive des jungen Menschen und seiner Lebenswelten weiterhin als Ausgangspunkt genommen wird.
Dieser Beitrag der Religionspädagogin Marion Keuchen greift Religionssensibilität als Beitrag zur Bildung von Diversitätskompetenz auf und zeigt anhand von Text- und Bilderwelten im religionsdidaktischen Medium Kinderbibel, auf welche Weise diese eine Pädagogik der Vielfalt hemmen oder unterstützen können. Perspektiven für die Weiterentwicklung bibeldidaktischen Materials mit Fokussierung diversitätssensibler Merkmale werden vorgestellt.