Muhammad Sameer Murtaza
Weltethos in Zeiten von Umbrüchen
Ein muslimisch-philosophischer Gedankengang
Zusammenfassung
Der Beitrag stellt die Frage, ob das Projekt Weltethos trotz der oftmals gewaltvollen politischen, sozialen und religiösen Umbrüche unserer Zeit weiterhin Relevanz hat oder gescheitert ist. Hierzu erfolgt zunächst anhand der Abrahamerzählung ein Gedankengang, was Religion eigentlich ist, nämlich eine sinnstiftende Antwort für das Individuum auf die Erfahrung der Fraglichkeit der Welt. Da sich diese auch anderen erschließt, tendiert Religion immer dazu, eine Erfahrungsgemeinschaft zu bilden. Die Existenz der abrahamischen Gemeinschaft zeigt, dass es letztendlich keine einzige exklusive monotheistische Religion gibt, sondern von einer monotheistischen Weltbewegung gesprochen werden muss. In weiterer Folge wird Sure 3, Vers 110 eingehend analysiert, der anhand des allgemeinen Gebrauchs der Begriffe al-ma?r?f („das Rechte“) und al-munkar („das Unrechte“) deutlich macht, dass ethisches Verhalten auch ohne den Gottesglauben rational erschlossen werden kann. Folglich kann es nicht darum gehen, dass eine Religionsgemeinschaft die Welt dominiert und lenkt, sondern dass auf Grundlage gemeinsamer, allgemein anerkannter ethischer Vorstellungen, wie etwa der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Menschen zum Wohle aller zusammenwirken. Trotz der fatalen Weltlage, was die ökonomische Ungleichheit und den Klimawandel sowie seine Folgen betrifft, bleiben die Religionsgemeinschaften wichtige ethische Akteure mit Gestaltungskraft in der Welt.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Fraglichkeit der Welt, Kampf der Kulturen, Kapitalismus, Klimawandel, monotheistische Weltbewegung, Religionsbegriff, Religionsgemeinschaft, universales Ethos, Weltethos
Summary
The article asks whether the project global ethic, despite the often violent political, social and religious upheavals of our time, continues to have relevance or failed. For this purpose, first of all, based on the story of Abraham, a train of thought takes place, that religion is first of all a meaningful answer for the individual to the experience of the questionability of the world. Since this experience happens also to others, religion always tends to form a community. The existence of the Abrahamic community shows that ultimately there is not a single exclusive monotheistic religion, there is a monotheistic world movement. Subsequently, Sura 3, verse 110, is analyzed in detail, which makes clear from the general usage of the terms al-ma?r?f (“the right”) and al-munkar (“the wrong”) that ethical behavior can be rationally developed even without the belief in God. Consequently, it can’t be that a religious community dominates and directs the world. Rather humankind will work together on common, generally recognized ethical notions, such as the Universal Declaration of Human Rights, to the benefit of all. Despite the fatal world situation in terms of economic inequality and climate change, as well as its consequences, the religious communities remain important ethical actors with creative power in the world.
Universal Declaration of Human Rights, Questionability of the World, Clash of Cultures, Capitalism, Climate Change, Monotheistic World Movement, Concept of Religion, Religious Community, Universal Ethos, Global Ethic
57. Ergänzungslieferung / 2018 / Gliederungs-Nr.: IV – 3.6.1